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Mein musikalisch künstlerischer Werdegang

Die Perspektive, aus der etwas vergangenes Erlebtes berichtet wird, lässt vieles anders, in einem größeren Zusammenhang, erscheinen als in dem erlebten Moment selber. Wenn ich hier nun meinen musikalisch künstlerischen Werdegang wiedergebe, beschränke ich mich nicht darauf, wie sonst üblich, äußere Fakten aufzuzählen, sondern will diesen Werdegang als einen Ausdruck einer inneren Entwicklung schildern. Vieles kann in der notwendigen Kürze nur angedeutet werden, manches muß ganz wegfallen. Mögen interessierte Menschen so einen kleinen persönlichen Eindruck von mir und meiner Arbeit erhalten.

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Erster Musikunterricht

Meine frühesten erinnerbaren musikalischen Eindrücke gehen auf die Musikabende in meinem elterlichen Haus zurück, bei denen vor allem die Kammermusik der Klassik und Romantik gepflegt wurde. Das dabei meist beteiligte Klavier erregte dabei von Anfang an mein Interesse. Nach einer geraumen Weile wurde meinem Drängen nach einem geregelten Klavierunterricht endlich nachgegeben. Schon bald erhielt ich im Münchener „Waltershausenseminar“ Unterricht im Klavierspiel (bei C. v. Waltershausen) und in Musiktheorie (bei R. Schlötterer). Der Schulwechsel an das musische Gymnasium in München bot die Gelegenheit, dort zusätzlich das Fach Orgel bei Max Köchl zu belegen. Daß die Affinität gerade zu diesem Instrument von Anfang an so groß war, mag an den tiefen Eindrücken liegen, die ich durch die die rituellen Handlungen des katholischen Gottesdienstes begleitenden, mich schon als Kind sehr bewegenden Orgelklänge empfing. Im Laufe der Jahre wuchs die Liebe zu diesem Instrument so sehr, dass ich nicht selten tagelang meine Zeit mit Orgelspiel verbrachte, soweit es die als lästig empfundene Schulzeit zuließ. Nach ersten öffentlichen Auftritten, stand schon sehr bald fest, dass ich die Musik zu meinem Beruf machen wollte.

Orgelstudium

1970, ein Jahr vor meinem Abitur, bestand ich die Aufnahmeprüfung für das Konzertfach Orgel an der Hochschule für Musik in München und wurde als Jungstudierender in die Orgelklasse von Franz Lehrndorfer aufgenommen. Dieser war damals nicht nur bekannt als Künstler mit einem eigenem Interpretations- und einem großartigen, sehr individuellen Improvisationsstil, sondern besaß auch als gesuchter Lehrer großes Ansehen. Ihm verdanke ich besonders die Erfahrung, dass musikalisches Tun, bei aller Notwendigkeit des Reflektierens und Wissens, letzlich der Tiefe der eigenen Seele entspringt. Seine oft genialische musikalische Intuition prägte mein damals stark nach subjektivem Ausdruck drängendes Musizieren. Seine pädagogische Fähigkeit, den Menschen in seinem Potential zu ermutigen und in seinem Bemühen zu bestärken, sowie meine große Verehrung, die ich damals für diese Persönlichkeit empfand, spornten mich in meiner Arbeit am Instrument enorm an. Inhaltlich setzte ich mich in den 8 Jahren meines Orgelstudiums in München neben dem Orgelwerk J.S.Bachs, das bis heute für mich zu der vollendetsten Orgelmusik überhaupt zählt, vor allem mit der Musik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts auseinander. Ich studierte die großen Orgelwerke Mendelssohns, Liszts und vor allem Regers, daneben viele lokale zeitgenössische Komponisten wie beispielsweise Karl Höller oder Günther Bialas, zu denen ich meist auch einen sehr schönen menschlichen Kontakt hatte. Eine besondere Beziehung begann ich in dieser Zeit auch zu der so farbigen französischen Musik zu entwickeln. Neben Franck, Duprè, Vierne u. a. faszinierte mich zunehmend die Musik J.Alains und ganz besonders O.Messiaens.

Aufgrund des „Summa cum Laude“ meines Konzertfachdiploms erhielt ich noch ein zweijähriges Aufbaustudium in der Meisterklasse.

Ein meinem damaligen jugendlichen Lebensalter entspringender großer Ehrgeiz motivierte mich, an verschiedenen nationalen und internationalen Orgelinterpretationswettbewerben teilzunehmen. Preise wie der Felix-Mottl-Preis München, der Mendelssohn-Preis Berlin und der Preis der ION Nürnberg, brachten mir eine willkommene Bestätigung meines von Selbstzweifeln nicht immer freien Ringens um musikalische Inhalte.

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Kirchenmusikstudium

Eine Bereicherung und notwendige Erweiterung meines Instrumentalstudiums bedeutete das 1972 begonnene Kirchenmusikstudium. In diesem umfassenden Studiengang waren es die Fächer Improvisation, Komposition, Chorleitung und der Gesang , die ich besonders vertiefen wollte und die meine Perspektiven erweiterten: Im Fach Improvisation begann ich meine eigenschöpferischen Fähigkeiten zu entdecken und zu entwickeln, was unmittelbar auch in eine beginnende Kompositionstätigkeit hineinwirkte.

Der Gesang erschien mir immer die unmittelbarste und wichtigste Form des Musizierens und ist mir u. a. auch als Vorstellung beim instrumentalen Spiel ein wesentliches Element. Artikulieren, Atmen, Dynamik, Sprache etc. sind beim Singen unmittelbar gegeben und stellen sich gleichsam von selbst ein. Bei einem so „technischen“ Instrument wie der Orgel, bedarf es ganz besonders der Bewusstheit dieser für jedes Musizieren so wichtigen vokalen Elemente. Durch meine bis heute andauernde Beschäftigung mit dem Dirigieren lernte ich u. a. eine dem rein solistischen Instrumentalspiel im gewissen Sinne entgegengesetzte Art des Musizierens kennen, die aus der Beziehung mit den spielenden oder singenden Menschen einen wesentlichen Impuls erhält.

Wichtige anregende Lehrer waren u. a. Max Frey (Chorleitung), M. Granata ( Klavier), G. Joppich (Gregorianik), A. Hoellering (Rhythmik) und R. M. Helmschrott (kirchenmusikalische Komposition).

Auslandstudium

1979 bot mir das Stipendium der Studienstiftung die Möglichkeit eines Auslandstudiums, das ich sehr gerne in Anspruch nahm. Ziel meiner neuerlichen Studien war die Stadt, die mir damals wie das „Orgelmekka“ erschien: Paris! So war ich sehr glücklich, dass mich Marie Claire Alain, eine außerordentliche Persönlichkeit, dort als Schüler übernahm. Ihre sehr stark gedanklich ausgerichtete und oft distanzierte Art mit Musik umzugehen, war mir neu, ja manchmal sogar fremd und dennoch überzeugte mich damals das Ergebnis vollkommen. Dies setzte eine erste erhebliche Irritation des bisher Erlernten in Gang, denen ich im Laufe meines weiteren Lebens noch oft ausgesetzt sein sollte. Die Erfahrung, daß alles sich ständig verändern und erweitern muß, um lebendig bleiben zu können, wurde mir da erstmals bewußt. Daß in dieser Erfahrung auch einer der wesentlichen menschenbildenden Aspekte des künstlerischen Ausgestaltens überhaupt liegt, erschien mir immer zwingender. Der so stark auf Besitzen ausgerichtete starre Zeitgeist unserer Zeit bildet aus meiner Sicht für eine dynamische, lebendige künstlerische Entwicklung einen eher hinderlichen Gegenpol.

In diesen sehr intensiven eineinhalb Jahren Parisaufenthalt konnte ich mein Repertoire erheblich erweitern (ich studierte u.a.das Gesamtwerk von C.Franck und Jehan Alain, daneben Couperin, Clerambault, de Grigny etc. und immer wieder Bach ). Einen überwältigenden Eindruck hinterließ bei mir damals auch die Stadt Paris selbst, mit ihren großartigen Bauwerken und Instrumenten, der so ganz anderen Mentalität der Menschen und dem vielschichtigen kulturellen Leben.

Mit einem „Prix d’ excellence“ und einem Konzert in Notre Dame beendete ich diese schöne Studienzeit.

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Weitere Studien

Im Laufe meines gesamten Studiums besuchte ich die verschiedensten Orgel- und Cembalokurse, in denen vorzugsweise stilistische und aufführungspraktische Fragen der sogenannten „alten Musik“ thematisiert wurden. Einer ist mir dabei besonders anregend in Erinnerung: 1981 besuchte ich in Haarlem einen der alljährlich stattfindenden Sommerkurse über Orgelmusik der Renaissance und des Frühbarock. Dabei kam ich mit dem damals noch nicht so bekannten, äußerst expressiven, fantasievollen und stilistisch kundigen Ton Kopman in Berührung. Die aufführungspraktische Konsequenz aus einer musikwissenschaftlichen Auseinandersetzung und einem sorgfältigen Quellenstudium, die heute für viele ganz selbstverständlich ist, war damals noch neu.

Ich hörte dort vieles zum ersten Mal, was bei mir einen Anfangsimpuls zu einem neuen, erweiterten Umgang mit Musik setzte. (In der Wirkung vergleichbar, freilich ganz anders geartet, war fast 20 Jahre später die Begegnung mit dem fabelhaften Cembalisten L. U. Mortensen, der leider nur wenige Jahre mein Kollege an der Münchner Musikhochschule war).
1983 bescherte mir neben meinem letzten Wettbewerbserfolg, den Improvisationspreis in Haarlem und den „Grand Prix du disque Liszt“ für meine erste Schallplatteneinspielung, einen Ruf an die Münchener Musikhochschule als Professor für Orgel.

Pädagogische Tätigkeit

Schon seit 1978 hatte ich einen Lehrauftrag an dieser Hochschule und konnte meine ersten pädagogischen Erfahrungen mit angehenden Berufsmusikern machen. Ab 1980 bis zu meiner Berufung nach München arbeitete ich außerdem als Dozent an der Kirchenmusikschule in Regensburg. Die Unterrichtstätigkeit erfüllte mich von Anfang an bis heute mit großer Freude und läßt mir darüber hinaus noch genügend Raum zu notwendigem eigenen Studium und für meine verschiedenen künstlerischen Aktivitäten.

Seit meinem 19. Lebensjahr begann ich, pädagogische Erfahrungen mit zunächst wenigen Privatschülern zu sammeln. Unabhängig davon, dass sich bei mir in den vergangenen Jahrzehnten in diesem Bereich eine Entwicklung ereignete, in deren Verlauf sich mein Umgang mit Schülern in Methodik und Zielsetzung immer wieder veränderte, habe ich diese Tätigkeit doch immer sehr geliebt, ja sie zählt möglicherweise mit zu den sinnerfülltesten Aufgaben meines bisherigen Lebens. Die Erfahrung, dass das, was der Schüler braucht, um zu lernen, bei dem Lehrer in einem hohen, vorbildlichen Maße entwickelt sein muß, war und ist bis heute eine der großen Herausforderungen in meinem pädagogischen Bemühen. Schönbergs Satz, den er seiner Harmonielehre voranstellte: „Dieses Buch habe ich von meinen Schülern gelernt“ ist für mich in diesem Zusammenhang nur allzu nachvollziehbar.

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Kompositorische Arbeit und Chorleitertätigkeit

Phasenweise widme ich mich immer wieder meiner kompositorischen Tätigkeit, die mich seit meinem Kirchenmusikstudium kontinuierlich begleitet hat. Sie hat insofern viel mit persönlichen, meist freundschaftlichen Beziehungen zu tun, als es mir immer leichter fällt für einen Menschen, eine Gruppe oder direkt einen Auftraggeber ein Stück zu schreiben, als ohne direkte Beziehung. So sind meine Kompositionen meist mit mir nahestehenden Menschen, oft selber Musiker, ursächlich verbunden, oder sie sind Auftragswerke. In letzter Zeit sind auch Kompositionen entstanden, die mit meiner Arbeit mit Laienchören zu tun haben: Schon seit geraumer Zeit leite ich den Chor der Hl. Kreuzkirche in Feldafing am Starnberger See, wo ich auch meinen Wohnsitz habe. Für ihn schrieb ich die „Feldafinger Messe“ sowie ein Weihnachtsmysterienspiel.

Im weitesten Sinne fühle ich mich als Komponist der Tonalität verpflichtet. Die musikalischen Parameter Melos, Rhythmik und Harmonik konnte ich dabei nur soweit bis an die Grenzen führen, daß sie für mich noch nachempfindbar und unmittelbar erlebbar bleiben.

In meiner Intention einer persönlichen Aussage, die mehr seelischer Natur sein soll, ist mir eine stark abstrakte, experimentelle und mehr dem Intellekt verpflichtete Kompositionsart eher wesensfremd. Dennoch bestimmen klare Strukturen die Form. Die Schönheit oder das, was ich als schön empfinden kann, ist mir wichtigster Anhaltspunkt. Ich glaube, dass Kunst immer auch eine andere Realität berühren soll und den Menschen damit in Verbindung bringen kann.
Befruchtend für meine Arbeit war vor allem die Auseinandersetzung mit der Musik Messiaens und Alains, aber auch mit dem gregorianischen Choral, indischer Musik und mancher Rhythmen des Jazz. Ausgangspunkt meiner ersten kompositorischen Versuche waren zunächst die beiden Bereiche, die meiner ureigenen musikalischen Erfahrung am nächsten waren: die Orgel- und Chormusik. Allmählich erweiterte sich die Palette bis hin zur Orchesterbesetzung.

Zukunftsperspektive

Seit über 20 Jahren wurde für mich die Suche nach einem tieferen Sinn des Daseins in Form einer transzendenten, das Musikalische übersteigende und dennoch auch auf es zurückwirkende, Lebensverwirklichung immer wichtiger. Bei dieser Suche ist mir bis heute die Auseinandersetzung mit den verschiedensten Geistesrichtungen wichtig. Besonders durch die Begegnung mit außerordentlichen Persönlichkeiten bekam ich eine Ahnung, wie ein geistiger Verwirklichungsweg aussehen kann und welche Bedeutung in diesem Zusammenhang u. a. einer künstlerischen Gestaltung zukommt, die so eine neue, tiefere Dimension erhält.

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